„ …
Verwesendes Fleisch, faul und ranzig,
grölend und kreischend machen sie die schrecklichste Musik.
Ersetzbar und tausendfach vorhanden,
warten die Nhost’au auf die Wortgewandten.
…“
Auszug aus „Eine Erzählung am Ende aller Tage – Legionen Hesarias“
„Wir werden sterben!“ Der Junge hielt sich den schweren Kopf.
„Einen Blödsinn werden wir … Hast du etwa Angst vor dem Tod?“
„Wer denn nicht!?“
Der Geschlagene zeigte die Zähne hinter seinem halbmondhaften Grinsen. „Was ist, wenn ich dir erzähle, dass es etwas Schlimmeres gibt, als den Tod?“
Verwundert sah er auf. „Und was soll das sein?“
„An Toten wird es niemals mangeln, hat er gemeint – und er hatte recht. Bald könnten auch wir zu ihnen gehören und irgendwann werden wir es sogar. Über das ganze Land verstreut liegen sie und warten nur darauf, wiedererweckt zu werden. Die meisten von ihnen würden alles dafür geben, wieder unter den Lebenden wandeln zu dürfen und nicht von Erde zerdrückt und von Maden zerfressen zu werden. Denn nichts ist schlimmer als der Tod …“, begann er und lehnte sich nach vor. „Doch denkst du wirklich so? Du Narr. Hast du etwa nie von den Nhost’au gehört? Sie sind schlimmer als alles, das du je geglaubt hast zu kennen.
Eine Armee aus halb verwesten Leichen aus Hesaria; sie stellen die perfekten Sklavenkrieger dar. Würmer winden sich in ihren eitrigen, faulen Wunden, ihre Augen stehen aus den Höhlen wie pralle, reife Äpfel. Fauler Atem dringt aus ihren gierigen Mäulern und Hautfetzen hängen von ihren Körpern, die bei Wind manchmal sogar wie lustige kleine Fähnchen wehen. Du wirst keine Frage aus ihren Mündern vernehmen, sie werden deine Entscheidungen nie infrage stellen. Gezüchtigt und gepeinigt von Ghurgof – dem Herren der Unterwelt selbst – wagen sie es nicht, zu widersprechen. Sie folgen deinen Worten nahezu blind.
Einst waren sie Männer und Frauen Falensias. Doch wie es der Zufall so will, bleiben die Tore der himmlischen Welt Vhalnias so einigen verschlossen. Diebe, Mörder, Schänder, Lügner. Sie alle müssen nach ihrem Tod in die infernalen Tiefen Hesarias kriechen und dort die geballte Last Falensias auf ihren Schultern tragen. Sobald eintausend Jahre ohne Zwischenfälle vergangen sind, dürfen sie gehen. Doch nicht zurück nach Falensia, um eine zweite Chance zu erhalten. Oh nein. Nein, sie müssen den Nhost’au beitreten!
Auf den ersten Blick erscheinen sie wie ein bunt gemischter Haufen. Laien und erfahrene Mörder, Tölpel und brutale Krieger tummeln sich unter ihnen. Bewaffnet mit rostigen Klingen und meist von nicht mehr als einem Lendenschurz beschützt. Anhand der Ausstattung, die sie bei sich haben, kann man ihren Rang gut erkennen. Desto mehr, desto wichtiger – und vor allem gefährlicher.
Ein Nhost’au ohne Helm, Waffe und Stiefel ist so viel wert wie ein Stock im Dung. Also nichts.“
Der Junge unterbrach ihn. „Weshalb Stiefel?“
„Nun ja, ihr kostbarstes Gut sind solide Stiefel – denn der Boden in Hesaria ist heiß.
Doch lass dich nicht von ihrer mageren, ausgehungerten Statur irritieren. Sie kennen keine Grenzen, sie kennen keine Furcht. Das, was ihnen befohlen wird, tun sie auch und Mitleid – ha! Mitleid ist ein Fremdwort für sie! Wären da nicht ihre grausamen Waffen, mit denen sie dich in Stücke hacken, wären da auch noch ihre Klauen, ihre geifernden Zähne und die Krankheiten, die sie verbreiten. Sie hinterlassen nichts von dir. Egal was geschieht, Kontakt mit ihnen bringt dir den Tod. Es liegt ganz bei dir, welcher Tod dir lieber ist. Jener, der dich qualvoll und tagelang zugrunde richtet durch Seuchen oder der, der dich gnadenlos, aber in kurzer Zeit, in Einzelteile zerlegt. Mit viel Pech leidest du bei beidem …“
Der Junge schüttelte seinen Kopf. „Wieso erzählst du mir so etwas!?“
„Du fragst mich, weshalb ich dir all diese Märchen an den Kopf werfe?“, er schmunzelte und sein Blick verriet den Wahnsinn, der in seinem Kopf tobte wie ein hungriger Affe. „Weil ich aus diesem Märchen Wirklichkeit werden lasse. Das Buch, in das ich die letzten Tage so vertieft war, hat mich einiges gelehrt. Selbst zu Zeiten Ulrichs sollen sie Falensia überfallen haben. Ich werde mir ein Dutzend beschwören, anschließend eine ganze Armee und damit meine Feinde zermalmen. Sie werden kommen. Doch fürchte dich nicht, es könnte meinen Feinden noch schlimmer ergehen.
Vorsichtig fragte sein Gegenüber. Ihm gefiel dieses Gespräch nicht. „Um wie viel schlimmer?“
„Ich glaube es reicht, wenn ich sage, dass sie bloß eine der Legionen Hesarias sind …“
Elliot, der Geschlagene zu seinem letzten Freund.
Ein Kommentar zu „Die Legionen Hesarias – Die Nhost’au“